Jeder hat schon mal vom Buch "Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod" (Bastian Sick, 2004, KiWi) gehört, stört sich aber nicht daran, die darin gefassten Feststellungen über die Verwerfung der Deutschen Sprache im täglichen Gebrauch anzuwenden. Hierzu habe ich vor ein paar Jahren ein Kurzgespräch in einer Runde mitbekommen, die gleichwohl Anlass dieses Blogs war:
Die Männer sitzen um einen Tisch herum und ein Neuer betritt den Raum und möchte sich auf einen Stuhl setzen, der frei ist, jedoch eine Jacke auf der Lehne zu liegen hat.
Der Neue: "Wem seine Jacke gehört denn die?"
Antwort des Eigentümers: "Ich."
Es ist kaum an einer Hand abzuzählen, welche Fehler hier in nur einem Satz begangen wurden!
Der Genitiv ist der so genannte "Wes-Fall" und beschreibt das Eigentumsverhältnis Objekts zum Subjekt oder einfacher gesagt, er ist eine nähere Beschreibung des Objekts Mit dem Fragewort "wessen" kann das Genitivattribut, also der Besitzer, bestimmt werden.
Beispiele:
Das ist das Trikot des Spielers.
Ich bin der Lehrer der Klasse.
Wo ist der Meister des Rodeos?
Ausnahme:
Wer hat den Ball des Jungen?
Dem geschulten Auge werden die verschiedenen Endungen des Objekts aufgefallen sein. Im Genitiv enden maskuline sowie neutrale Nomen auf -s oder -es. Feminine Nomen sowie Nomen, die im Plural (Mehrzahl) stehen, kommen ohne diese Endung aus.So weit, so gut. Diese noch halbwegs einfachen Regeln werden von vielen noch ohne größere Probleme befolgt. Leider besitzt gerade die deutsche Sprache einigie weitere Funktionen des (!) Genitivs. Ohne zu sehr ins Detail zu gehen, zeige ich hier lediglich die drei gängigsten Formen auf:
genitivus qualitatis - Bezeichnung einer Eigenschaft
"ein Regen kurzer Dauer"
genitivus partitivus - Beziehung des Anteils
"der beste Spieler der Mannschaft"
genitivus superlativus - Steigerung der Bedeutung des Objekts
"das Spiel der Spiele"
In den eben genannten Beispielen handelt es sich um Sonderfälle im Deutschen, die ebenfalls den Genitiv ausdrücken, jedoch nicht mit dem Fragewort "wessen" gesucht werden können.
Die meisten Fehler passieren jedoch, wenn im Zusammenarbeit mit Präpositionen nicht die richtige Systematik des (!) Genitivs angewandt und fälschlicherweise in den Dativ abgeschweift wird. Nach den hier folgenden Präpositionen ist zwingend der Genitiv und die damit entsprechende Endung des (!) Wortes anzuwenden:
abseits, abzüglich, anfangs, angesichts, anhand, anlässlich, anstatt, anstelle, aufgrund, ausgangs, ausschließlich, außerhalb, auswärts, ausweislich, bar, begierig, behufs, beiderseitig, beiderseits, beidseits, bergseits, betreffs, bezüglich, binnen (auch mit Dativ), dank (auch mit Dativ), diesseits, eingangs, eingedenk, einschließlich, einwärts, ende, exklusive, fähig, im Falle, fernab, frei, froh, fündig, geachtet, gedenk, gelegentlich, gewahr, gewärtig, gewiss, gewohnt, habhaft, halber, hinsichtlich, hinsichts, infolge, inklusive, inmitten, innerhalb, innert, inwärts, jenseits, kraft, kundig, längs, längsseits, laut (auch mit Dativ), ledig, linkerhand, linkerseits, links, linksseitig, mächtig, mangels, mithilfe, mittels, müde, namens, nördlich, nordöstlich, nordwestlich, ob (also: ob des erlittenen Verlustes), oberhalb, östlich, im Rahmen, rechterhand, rechts, rechtsseitig, satt, seitab, seitwärts, schuldig, seitens, seitlich, sicher, statt, an … statt, südlich, südöstlich, südwestlich, teilhaft, teilhaftig, trotz(auch mit Dativ), überdrüssig, um … willen, unbenommen, unbeschadet, ungeachtet, ungedenk, unkund, unkundig, unteilhaft, unterhalb, unweit, unwert, unwürdig, aus Ursachen, verdächtig, verlustig, vermittels, vermöge, voll, voller, vonseiten, vorbehaltlich, während, wegen, weitab, wert, westlich, würdig, zeit, zufolge, zugunsten, zulasten, zuseiten, zuungunsten, zuzüglich, zwecks.
Beispiele:
außerhalb der Grenzen
im Falle eines Unfalls
schuldig seiner Taten
ungeachtet ihres Aussehens
Gar nicht mal so einfach, oder? Es ist nicht nur die Masse dieser Präpositionen, sondern vor allem die Komplexität ihrer Anwendungsmöglichkeiten als Postpositionen. So bilden einige dieser, hinter dem Objekt stehend, einen Dativ.
Beispiele:
Wem bin ich das Geld schuldig?
Ihm ist sein Fehler gewiss.
Mehr dazu in der kommenden Lektion.
Da nun alle Leser hoffentlich maximal verwirrt sind, beende ich das Ganze lieber und verweise auf ein gutes Buch:
Der Dativ ist der Tod des Genitivs