Montag, 28. August 2017

Tägliches Deutschwissen #10

Jeder hat schon mal vom Buch "Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod" (Bastian Sick, 2004, KiWi) gehört, stört sich aber nicht daran, die darin gefassten Feststellungen über die Verwerfung der Deutschen Sprache im täglichen Gebrauch anzuwenden. Hierzu habe ich vor ein paar Jahren ein Kurzgespräch in einer Runde mitbekommen, die gleichwohl Anlass dieses Blogs war:

Die Männer sitzen um einen Tisch herum und ein Neuer betritt den Raum und möchte sich auf einen Stuhl setzen, der frei ist, jedoch eine Jacke auf der Lehne zu liegen hat.
Der Neue: "Wem seine Jacke gehört denn die?"
Antwort des Eigentümers: "Ich."

Es ist kaum an einer Hand abzuzählen, welche Fehler hier in nur einem Satz begangen wurden!



Der Genitiv ist der so genannte "Wes-Fall" und beschreibt das Eigentumsverhältnis Objekts zum Subjekt oder einfacher gesagt, er ist eine nähere Beschreibung des Objekts Mit dem Fragewort "wessen" kann das Genitivattribut, also der Besitzer, bestimmt werden. 

Beispiele:
Das ist das Trikot des Spielers.
Ich bin der Lehrer der Klasse.
Wo ist der Meister des Rodeos?

Ausnahme:
Wer hat den Ball des Jungen?

Dem geschulten Auge werden die verschiedenen Endungen des Objekts aufgefallen sein. Im Genitiv enden maskuline sowie neutrale Nomen auf -s oder -es. Feminine Nomen sowie Nomen, die im Plural (Mehrzahl) stehen, kommen ohne diese Endung aus.So weit, so gut. Diese noch halbwegs einfachen Regeln werden von vielen noch ohne größere Probleme befolgt. Leider besitzt gerade die deutsche Sprache einigie weitere Funktionen des (!) Genitivs. Ohne zu sehr ins Detail zu gehen, zeige ich hier lediglich die drei gängigsten Formen auf:

genitivus qualitatis - Bezeichnung einer Eigenschaft
"ein Regen kurzer Dauer"

genitivus partitivus - Beziehung des Anteils
"der beste Spieler der Mannschaft"

genitivus superlativus - Steigerung der Bedeutung des Objekts
"das Spiel der Spiele"

In den eben genannten Beispielen handelt es sich um Sonderfälle im Deutschen, die ebenfalls den Genitiv ausdrücken, jedoch nicht mit dem Fragewort "wessen" gesucht werden können.



Die meisten Fehler passieren jedoch, wenn im Zusammenarbeit mit Präpositionen nicht die richtige Systematik des (!) Genitivs angewandt und fälschlicherweise in den Dativ abgeschweift wird. Nach den hier folgenden Präpositionen ist zwingend der Genitiv und die damit entsprechende Endung des (!) Wortes anzuwenden:

abseits, abzüglich, anfangs, angesichts, anhand, anlässlich, anstatt, anstelle, aufgrund, ausgangs, ausschließlich, außerhalb, auswärts, ausweislich, bar, begierig, behufs, beiderseitig, beiderseits, beidseits, bergseits, betreffs, bezüglich, binnen (auch mit Dativ), dank (auch mit Dativ), diesseits, eingangs, eingedenk, einschließlich, einwärts, ende, exklusive, fähig, im Falle, fernab, frei, froh, fündig, geachtet, gedenk, gelegentlich, gewahr, gewärtig, gewiss, gewohnt, habhaft, halber, hinsichtlich, hinsichts, infolge, inklusive, inmitten, innerhalb, innert, inwärts, jenseits, kraft, kundig, längs, längsseits, laut (auch mit Dativ), ledig, linkerhand, linkerseits, links, linksseitig, mächtig, mangels, mithilfe, mittels, müde, namens, nördlich, nordöstlich, nordwestlich, ob (also: ob des erlittenen Verlustes), oberhalb, östlich, im Rahmen, rechterhand, rechts, rechtsseitig, satt, seitab, seitwärts, schuldig, seitens, seitlich, sicher, statt, an … statt, südlich, südöstlich, südwestlich, teilhaft, teilhaftig, trotz(auch mit Dativ), überdrüssig, um … willen, unbenommen, unbeschadet, ungeachtet, ungedenk, unkund, unkundig, unteilhaft, unterhalb, unweit, unwert, unwürdig, aus Ursachen, verdächtig, verlustig, vermittels, vermöge, voll, voller, vonseiten, vorbehaltlich, während, wegen, weitab, wert, westlich, würdig, zeit, zufolge, zugunsten, zulasten, zuseiten, zuungunsten, zuzüglich, zwecks.

Beispiele:
außerhalb der Grenzen
im Falle eines Unfalls
schuldig seiner Taten
ungeachtet ihres Aussehens



Gar nicht mal so einfach, oder? Es ist nicht nur die Masse dieser Präpositionen, sondern vor allem die Komplexität ihrer Anwendungsmöglichkeiten als Postpositionen. So bilden einige dieser, hinter dem Objekt stehend, einen Dativ.

Beispiele:
Wem bin ich das Geld schuldig?
Ihm ist sein Fehler gewiss.

Mehr dazu in der kommenden Lektion.

Da nun alle Leser hoffentlich maximal verwirrt sind, beende ich das Ganze lieber und verweise auf ein gutes Buch:


Der Dativ ist der Tod des Genitivs

Donnerstag, 27. Juli 2017

Alltägliches Deutschwissen

Das Wort "nur" lässt sich zweierlei interpretieren.

Zum Einen als Aussage von geringer Menge oder Ausprägung:
- lediglich / bloß / mindestens

zum Anderen als Ausdruck einer Einschränkung
- allerdings / jedenfalls / jedoch

Freitag, 13. Mai 2016

Tägliches Deutschwissen #9

Der Nominativ ist der 1. Fall in der Deutschen Sprache und dient im Satz immer dem Subjekt. Er wird auch der Einfachheit halber der "Wer-Fall" genannt. Er drückt die Tätigkeit einer Person oder Sache aus, welche durch die Frage "wer oder was?" eindeutig bestimmt werden kann. 

Beispiel:
Die Familie geht spazieren. (Wer geht spazieren? -- Die Familie)
Der Hund holt den Stock. (Wer holt den Stock? -- Der Hund)
Das Huhn legt ein Ei. (Was legt ein Ei? -- Das Huhn)


Dieser ist der wohl einfachste Fall unserer Sprache und bereitet selten Probleme. Gott sei Dank!

Wer hat das Gras weggeraucht?

Tägliches Deutschwissen #8




Nach etwas längerer Dauer als ursprünglich angenommen liefere ich hier und jetzt das nächste Thema auf meiner Agenda. Es regt mich immer wieder auf, dass es Menschen gibt, die diesen mehr als unnötigen Fehler begehen - die Verwechslung der Wörter "seit" und "seid". Zur Aufklärung: "seit" hat einen zeitlichen Bezug und benennt immer (oder fragt danach) einen festen Zeitpunkt in der Vergangenheit.

Beispiel:
Seit wann bist du Single?
Ich habe seit einer Woche nicht geraucht.
Seit dem Börsencrash hat er keinen Job.

Etwas VÖLLIG anderes ist das Wort "seid". Es ist die 2. Person Plural Präsens von "sein", also "ihr seid". Es wird ausschließlich zur Beschreibung des Zustands mehrerer Personen genutzt.

Beispiel:
Ihr seid lustig.
Seid ihr Anwälte?
Seid still!

Grammatikalisch ist das richtig, doch spricht kaum jemand so. Vielmehr nutzen wir in unserer Sprache gerne Modalpartikel (Lektion #29) um eine Einstellung des Sprechers zum Gesagten auszudrücken.

Beispiel:
Ihr seid ja lustig.
Seid ihr etwa Anwälte?
Seid schon still!


Stellt euch also immer die Frage: Liegt das Gesagte in der Vergangenheit oder ist es eine Zustandsbeschreibung?


Seit wann seid ihr denn so?

Dienstag, 10. Mai 2016

Tägliches Deutschwissen #7

Hurra! Die erste Woche geschafft und alle sind schon schlauer geworden!
Hat schon jemand mal etwas von Homographen, Homophonen oder Homonymen gehört? Ich muss zugeben, dass ich bis zum Start dieses Feldzuges (danke Niklas für diese allzu treffende Bezeichnung) zwar schon mal über diese Thematik nachgedacht habe, ihr aber nie wirklich nachgegangen bin. Wer des Lateinischen etwas mächtig ist, wird wissen, dass "homo" gleich, "graph" Schrift, "phon" Geräusch und "nym" Name bedeutet. Es geht also um Wörter, welche entweder gleich geschrieben werden oder sich gleich anhören, dennoch aber eine andere Bedeutung haben. Im Folgenden ein paar Beispiele:
Homographe (gleiche Schreibweise):
modern (zeitgemäß -- faulen)
Heroin (Droge -- Heldin)
Montage (Wochentag -- Zusammenbau)
Hochzeit (Eheschließung -- Höhepunkt)
Staubecken (Ecken voller Staub -- Stau-Becken)
Homophone (gleiche Aussprache):
Graf -- Graph
Stadt -- statt
Mahl -- mal
Wände -- Wende
Seite -- Saite
Homonyme (gleiche Aussprache und Schreibweise):
Tau -- (Seil -- morgendlicher Niederschlag)
Hahn -- (Wasserhahn -- Tier)
sieben (7 -- Sieb benutzen)
Kiefer (Teil des Schädels -- Nadelbaum)
laut (gemäß -- geräuschvoll)
Da bestimmte Wörter für Verwirrung sorgen KÖNNTEN, sollte man sich die Zeit nehmen, die Rechtschreibung zu kontrollieren und einen Satz ganz auszuformulieren. Ein Leser könnte sonst die Stirn runzeln und nicht verstehen, was ihr eigentlich wollt.
Beispiel:
Als er das mal beendet hatte, holte er sich Rad.
Prominutte - Berühmte Prostituierte lässt sich nach Zeit bezahlen

Sonntag, 8. Mai 2016

Tägliches Deutschwissen #6



Heute befasse ich mich mit den Möglichkeiten der Deutschen Sprache, Konditionalsätze zu bilden. Konditionalsätze sind stets zweigeteilt und drücken in einem Teil die notwendige Voraussetzung und im zweiten Teil das bei deren Eintritt folgende Resultat aus. Hierzu gibt das Sprachportfolio die folgenden drei "Konjunktionen" genannte Wörter: "wenn", "falls" und "sofern".

Beispiel:
Wenn es morgen regnet, dann bleibe ich zuhause.
Falls sich der Bus verspätet, dann nehme ich ein Taxi.
Sofern ihr selbst kochen wollt, dann erhaltet ihr 10 Euro Nachlass.

Hierbei handelt es sich um die einfachste Form von Konditionalsätzen, das Konditionalgefüge. Im vorangegangenen Beispiel ist das Gefüge eine "Wenn-Dann"-Bedingung. Wenn ein Ereignis eintritt, dann tritt die Folge ein.



Das Wunderbare an diesen drei Wörtern ist, dass sie dem Zuhörer gleichzeitig ausdrücken, wie wahrscheinlich der Eintritt der Bedingung ist oder für wie wahrscheinlich der Redner sie hält. Die pessimistischste Konjunktion ist "falls", bei deren Nutzung nicht zu erwarten ist, dass die Voraussetzung erfüllt wird. Die optimistische Variante ist "wenn". Hier wird mit dem Eintritt der Bedingung gerechnet, kann sich aber nicht völlig sicher sein. Das Wort "sofern" reiht sich irgendwo dazwischen ein, da bei der Nutzung völlig unklar ist, ob die Bedingung erfüllt wird. Eine Abschätzung der Wahrscheinlichkeit des Eintritts ist dem Redner nicht möglich. 

Wenn ich ein Vogel wär, dann flög ich zu Dir


Allerdings gibt es auch Rahmenbedingungen unter denen die Nutzung der drei Konjunktionen grammatikalisch zwar richtig, im Kontext aber meist irrsinnig ist:

Beispiel:
Wenn Schweine fliegen können, esse ich einen Besen.
Falls ich im Juni Geburtstag habe, kaufe ich mir ein Cabrio.
Sofern morgen die Sonne aufgeht, putze ich das Haus.

Solche Konstellationen können dann für die Stilmittel Ironie und Hyperbel (Übertreibung) verwendet werden. Die "Wenn-Dann"-Form ist auch dann erfüllt, wenn die beiden Wörter gar nicht im Satz vorkommen. Durch Umstellung können diese wieder eingebracht werden und dienen lediglich der Kürzung:

Beispiel:
Sollte es morgen regnen, bleibe ich zuhause.
Wenn es morgen regnen sollte, dann bleibe ich zuhause.

Fälschlicherweise wird auch das Wort "sobald" gern als Konditionalwort genutzt. Hier ist sich der Redner jedoch sicher, dass das Ereignis eintritt und somit ist die Grundvoraussetzung einer Bedingung nicht mehr erfüllt. Abschließend lege ich jedem nochmals das "Tägliche Deutschwissen #4" ans Herz, denn Wörter wie "wen" und "fals" sind KEINE KONDITIONALWÖRTER - letzteres ist nicht einmal ein Wort! Ich traue mich gar nicht es zu sagen, doch ich tu's:


SOBALD jemand alle Lektionen gelesen hat, macht er keine Schreibfehler mehr. 

Tägliches Deutschwissen #5



Viele Leute haben Probleme mit der korrekten Anwendung der Wörter "wieder" und "wider". Hier zwei Beispiele aus zufällig gefundenen Kommentaren:

Lass uns bald widersehen!
Ich wiederrufe meinen Post von gestern.

Es handelt sich bei beiden Wörtern um so genannte Präfixe. Das ist aber auch die einzige Gemeinsamkeit der beiden. "Wieder" beschreibt die Wiederholung bzw. Neuauflage einer Aktion. Etwas wird oder soll ein weiteres Mal passieren.

Beispiel:
Alle warten auf seine Wiederkehr. --- seine Rückkehr nach wiederholtem Weggang
Ich muss es Dir immer wieder sagen. --- erneut etwas sagen
Geschichte wiederholt sich nicht. --- Geschichte wird nie erneut geschehen

Besonders kritisch wird es, wenn man die Wörter sowohl zusammen als auch getrennt schreiben kann.

Beispiel:
Kannst Du es bitte wieder holen? --- den Gegenstand zurück bringen
Kannst Du es bitte wiederholen? --- das Gesagte noch einmal sagen

Das Wort "wider" beschreibt etwas Gegensätzliches; gegen, entgegen, dagegen. Es soll also eine gegengesetzte Richtung ausgedrückt werden.

Beispiel:
Er widerruft sein Angebot. --- das Angebot rückgängig machen
Du bist mir zuwider. --- du verhältst dich entgegen meiner Vorstellung
Er erwidert ihre Liebe. --- ihr die gleiche Liebe entgegenbringen



Ebenfalls kritisch kann es werden, wenn nicht nur "wieder" und "wider" verwechselt werden, sondern auch Zusammen- und Getrenntschreibung:

Beispiel:
Es gab wieder Rufe. --- erneute Ausrufe
Es gab Widerrufe. --- Absagen nach Sinneswandlung
Es spiegelt sich wider. --- etwas zeichnet sich ab
Es spiegelt sich wieder. --- etwas reflektiert Licht erneut

Wenn also etwas noch einmal passiert, dann nutzt man "wieder". Wird eine entgegengesetzte (nicht gegenteilige!) Handlung beschrieben, nutzt man "wider". Verwechselt man diese beiden Wörter, kann es zu unterschiedlichen Bedeutungen kommen. Viele Leute schreiben bei einer Kündigung gerne "Ich wiederrufe meinen Vertrag." Das bedeutet so viel wie: "Ich bekräftige den Vertrag noch einmal." Ein Wortklauber mag demjenigen auch mal einen Strick daraus drehen.

Wirklich wissenswert ist jedoch, dass die Wörter "wieder" und "wider" den selben Ursprung haben. Die ursprüngliche Germanische Bedeutung war "gegen" (den Feind). Daraus wurde später auch eine Richtungsbedeutung: in entgegengesetzter Richtung. So entstanden die Wörter "zurück" und "erneut" (den gleichen Weg noch einmal (zurück) gehen). Große Deutsche Gelehrte kritisierten schon vor 200 Jahren die Unterscheidung beider Wörter.

"[Es] haben die grammatiker [...] einen unbegründeten, dem ohr unvernehmbaren unterschied zwischen wider und wieder eingeführt, um die bedeutung contra oder rursus damit zu fassen. Da diese natürlich in einander streifen (z.b. widerschein sowohl abprall und gegenwirkung, als [auch] wiederholung des lichts bezeichnet), [...] so könnte man die unterscheidung getrost aufgeben."
(Jacob Grimm 1819)



Was bleibt mir noch groß zu sagen?

Wer wieder wider Willen Wörter erwidert ist mal wieder angewidert.