Sonntag, 8. Mai 2016

Tägliches Deutschwissen #5



Viele Leute haben Probleme mit der korrekten Anwendung der Wörter "wieder" und "wider". Hier zwei Beispiele aus zufällig gefundenen Kommentaren:

Lass uns bald widersehen!
Ich wiederrufe meinen Post von gestern.

Es handelt sich bei beiden Wörtern um so genannte Präfixe. Das ist aber auch die einzige Gemeinsamkeit der beiden. "Wieder" beschreibt die Wiederholung bzw. Neuauflage einer Aktion. Etwas wird oder soll ein weiteres Mal passieren.

Beispiel:
Alle warten auf seine Wiederkehr. --- seine Rückkehr nach wiederholtem Weggang
Ich muss es Dir immer wieder sagen. --- erneut etwas sagen
Geschichte wiederholt sich nicht. --- Geschichte wird nie erneut geschehen

Besonders kritisch wird es, wenn man die Wörter sowohl zusammen als auch getrennt schreiben kann.

Beispiel:
Kannst Du es bitte wieder holen? --- den Gegenstand zurück bringen
Kannst Du es bitte wiederholen? --- das Gesagte noch einmal sagen

Das Wort "wider" beschreibt etwas Gegensätzliches; gegen, entgegen, dagegen. Es soll also eine gegengesetzte Richtung ausgedrückt werden.

Beispiel:
Er widerruft sein Angebot. --- das Angebot rückgängig machen
Du bist mir zuwider. --- du verhältst dich entgegen meiner Vorstellung
Er erwidert ihre Liebe. --- ihr die gleiche Liebe entgegenbringen



Ebenfalls kritisch kann es werden, wenn nicht nur "wieder" und "wider" verwechselt werden, sondern auch Zusammen- und Getrenntschreibung:

Beispiel:
Es gab wieder Rufe. --- erneute Ausrufe
Es gab Widerrufe. --- Absagen nach Sinneswandlung
Es spiegelt sich wider. --- etwas zeichnet sich ab
Es spiegelt sich wieder. --- etwas reflektiert Licht erneut

Wenn also etwas noch einmal passiert, dann nutzt man "wieder". Wird eine entgegengesetzte (nicht gegenteilige!) Handlung beschrieben, nutzt man "wider". Verwechselt man diese beiden Wörter, kann es zu unterschiedlichen Bedeutungen kommen. Viele Leute schreiben bei einer Kündigung gerne "Ich wiederrufe meinen Vertrag." Das bedeutet so viel wie: "Ich bekräftige den Vertrag noch einmal." Ein Wortklauber mag demjenigen auch mal einen Strick daraus drehen.

Wirklich wissenswert ist jedoch, dass die Wörter "wieder" und "wider" den selben Ursprung haben. Die ursprüngliche Germanische Bedeutung war "gegen" (den Feind). Daraus wurde später auch eine Richtungsbedeutung: in entgegengesetzter Richtung. So entstanden die Wörter "zurück" und "erneut" (den gleichen Weg noch einmal (zurück) gehen). Große Deutsche Gelehrte kritisierten schon vor 200 Jahren die Unterscheidung beider Wörter.

"[Es] haben die grammatiker [...] einen unbegründeten, dem ohr unvernehmbaren unterschied zwischen wider und wieder eingeführt, um die bedeutung contra oder rursus damit zu fassen. Da diese natürlich in einander streifen (z.b. widerschein sowohl abprall und gegenwirkung, als [auch] wiederholung des lichts bezeichnet), [...] so könnte man die unterscheidung getrost aufgeben."
(Jacob Grimm 1819)



Was bleibt mir noch groß zu sagen?

Wer wieder wider Willen Wörter erwidert ist mal wieder angewidert.

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